Die Wiese ist noch da. Wer über die Altmühlbrücke stadtauswärts fährt und den Blick nach links richtet, sieht die Grünfläche, die eingebettet zwischen Altmühl, Kleiner Wurmbach und der Oettinger Straße liegt. Gut 70 Jahre ist es her, dass hier Wäsche getrocknet und von der Sonne gebleicht wurde. Die Gunzenhäuser sprachen damals deshalb von der „Bleiche“, wenn sie das große Rasenstück meinten.  

In der Nachkriegszeit diente es der Bevölkerung auch als Sportplatz. Als Handballfeld, um genau zu sein, das zu jener Zeit in seinen Abmessungen noch einem Fußballplatz ähnelte. Eine frisch gemähte Wiese, hügelig und von Unebenheiten durchzogen, musste gut genug sein als Untergrund für ein Handballspiel.  

Inge Schömig war damals als Spielerin dabei. Die 88-Jährige stand Ende der 40er Jahre im Tor der Handballfrauen des FC Gunzenhausen. Von 1946 bis 1949 war sie die Torfrau des FC, spielte mit ihrem Team gegen Fichte Ansbach oder Eintracht Langlau. Als die Handballabteilung 1950 unter das Dach des TV 1860 Gunzenhausen schlüpfte, bedeutete das für Schömig das Ende ihrer Zeit als Handballerin. „Zwei Vereinsbeiträge konnte man sich damals nicht leisten. Und ich war eine eingefleischte FC‘lerin. Da zu kündigen, kam nicht in Frage“, erklärt sie. Die Rivalität zwischen beiden Klubs war einfach zu groß.  

An ihre vier Jahre beim FC erinnert sie sich noch gut. „Unsere Sportbekleidung haben wir selbst gestrickt und genäht, Trikots vom Verein gab es damals noch nicht“, sagt sie. Auch der Charakter des Spiels war in den Nachkriegsjahren ein völlig anderer als heute. Elf Spielerinnen pro Mannschaft, ein großes Feld, wenige Tore. „Wir haben uns ja totgelaufen damals, deswegen waren das Ergebnisse wie beim Fußball. Heute ist der Sport extrem rasant geworden“, sagt Schömig lachend. Ihre Handball-Karriere war zwar kurz, sportlich ist sie jedoch bis heute geblieben. Lange als Turnerin und Leichtathletin, heute macht sie noch regelmäßig Radtouren über 20, 25 Kilometer.  

Anni Kral ist ebenfalls noch sportlich aktiv. Die 84-Jährige gibt Gymnastikkurse beim TV Gunzenhausen. Erst vor wenigen Wochen hat sie der Verein für 70 Jahre Mitgliedschaft geehrt. 1951 hat sie mit dem Handball angefangen, als Abwehrspielerin. „Ich habe ein meinem Leben kein einziges Tor geworfen“, erinnert sie sich. Immerhin gab es zu Krals Zeit in den 50er Jahren die ersten vereinseigenen Trikots. Niemand musste mehr selbst zur Stricknadel greifen. Dafür waren die Bälle – aus heutiger Sicht – noch immer eine Zumutung. „Bei Regen haben die sich vollgesogen und wurden noch schwerer als sie eh schon waren“, sagt Kral. Zusätzlich haftete Erde an der Außenhaut des Balls, machte ihn glitschig und unkontrollierbar. Und zu dribbeln war sowieso nicht möglich, der Ball wäre auf der buckeligen Wiese versprungen.  

Die Zuschauer kamen trotzdem. Natürlich mehr zu den Männern, aber auch den Frauen mangelte es bei ihren Spielen nicht an Publikum. Die Handballerinnen waren eine willkommene Unterhaltung für die Stadtgesellschaft, die noch damit beschäftigt war, sich von den Schrecken des Krieges zu erholen. Während Frauen, die Fußball spielten, zur damaligen Zeit oft mit Ablehnung und chauvinistischen Sprüchen zu kämpfen hatten, war der Damenhandball akzeptierter. „An blöde Kommentare kann ich persönlich mich nicht erinnern“, sagt Kral. Doch es gibt auch andere Geschichten. Etwa jene von einer Freundin, die auch gerne Handball gespielt hätte, es aber nicht durfte. Weil der der Vater mitbekommen hatte, wie unter den Zuschauern über manche der Handballerinnen gespottet wurde. Dieser Demütigung wollte er seine Tochter nicht aussetzen. Unter den Handballern selbst herrschte dagegen geschlechterübergreifende Solidarität. „Wir haben bei unseren Männern immer zugeschaut und sie unterstützt“, erinnert sich Kral. Diesen Zusammenhalt pflegen sie beim TV bis heute. Auch wenn schon lange niemand mehr auf einer Wiese spielt.  

Text und Fotos Dominik Mayer, Altmühl-Bote 

Auf dem Foto oben von links: Anni Kral, Brigitte Franz, Inge Schömig.